Die Liebe ist ein Thema, das so lange aktuell sein wird, solange der Mensch lebt. Liebe und soziale Beziehungen beschäftigen den Menschen, da sie ihm tagtäglich begegnen und der Mensch ein Wesen der Gemeinschaft ist.
Nur ist die Liebe, obwohl sie ein sehr persönliches Konstrukt ist und oftmals zwei Menschen innerhalb einer Liebesbeziehung betrifft, leider auch ein sehr öffentliches und auch politisches Thema. Die Gesellschaft urteilt über zwischenmenschliche Beziehungen und Liebe wird durch Normen beengt. Dabei gab es im 18. Jahrhundert noch deutlich mehr Eingrenzungen als heute. Es war keine Seltenheit, dass Hochzeiten und Familienzusammenführungen vorbestimmt waren. Oftmals spielten Wirtschaftlichkeit und der gesellschaftliche Stand und das Ansehen beider Familien eine große Rolle. Wenn diese Beziehung zwischen zwei Menschen einmal beschlossen war, so gab es auch kein Zurück mehr. Scheidungen waren undenkbar, ebenso eine gesellschaftlich anerkannte, homosexuelle Beziehung. Im 21. Jahrhundert ist Homosexualität öffentlich so präsent wie nie. Es werden Festivals zu Ehren der gleichgeschlechtlichen Liebe gefeiert und homosexuelle Beziehungen werden rechtlich nicht mehr nur als eingetragene Lebenspartnerschaft behandelt, sondern als Ehe. Seit dem 01. Oktober 2017 können homosexuelle Paare in Deutschland heiraten und gemeinsam Kinder adoptieren. Diese Ehe steht einer Ehe zwischen Mann und Frau, unter gesetzlichen Aspekten in nichts nach.
Auch wenn Homosexualität im 18. Jahrhundert keine Seltenheit war, so war Homosexualität in der Gesellschaft ein absolutes Tabu-Thema. Sowohl in der Hölderlin Rezension, zum Beispiel im George-Kreis und auch in der Hölderlin Forschung finden die Liebe sowie die Bi- und auch Homosexualität Beachtung.[1] Die Liebesbeziehungen, die Hölderlin führte, waren allesamt schwierig und von „Unmöglichkeit“ geprägt. Während seiner Studienzeit in Jena lernt Hölderlin den jungen Isaac von Sinclair kennen. Das Studium und die gemeinsam besuchten Vorlesungen von Fichte verband die beiden Männer. 1795 wohnten sie gemeinsam in einem Gartenhaus vor der Stadt. Die Freundschaft der beiden war sehr eng und komplex und nicht zuletzt von homoerotischer Natur.[2]
Im Januar 1796 nimmt Hölderlin in Frankfurt bei der Familie Gontard eine Stelle als Hauslehrer an. Er verliebt sich in Susette Gontard, die Frau seines Arbeitgebers Jacob Friedrich Gontard. Er war also in eine Dame verliebt, die schon verheiratet war und so war es aussichtslos, dass die beiden auf einem offiziellen Weg zueinander finden können. Beiden war klar, dass ihre Liebe chancenlos und niemals öffentlich sein wird. Dieses Verlangen nach etwas unerreichbarem belastete den jungen Dichter zweifelsohne. Zwar führen die beiden eine heimliche Beziehung zueinander, aber unentdeckt bleibt das nicht. Schließlich muss Hölderlin das Haus Gontard verlassen und geht im September 1798 nach Bad Homburg zurück zu seinem Freund Sinclair. Auch nach dem Umzug in eine neue Stadt treffen sich Hölderlin und Susette heimlich, wohl wissend, dass ihre Liebe keine Zukunft haben wird. Zwei Jahre lang, bis in den Mai 1800, läuft Hölderlin jeden ersten Donnerstag im Monat zu Fuß von Bad Homburg nach Frankfurt, zu einem vereinbarten Platz, an dem die beiden Liebenden Briefe austauschen. Heute erinnert noch der Hölderlin-Pfad, der von Bad Homburg nach Frankfurt führt an die schicksalhafte Liebe zwischen Susette Gontard und Hölderlin.[3] 1802 stirbt Susette Gontard an einer Krankheit, wovon Hölderlin durch seinen Freund Sinclair erfährt. Die Forschung verbindet Susette Gontard mit der Dichtung der Diotima. Hölderlin selbst hat diesen Bezug hergestellt.[4]
Nina Kotschner
[1] Vgl. Jan Steinhausen: ‚Aristokraten aus Not‘ und ihre ‚Philosophie der zu hoch hängenden Trauben‘. Würzburg 2001, S.332. [2] Vgl. Valérie Lawitschka: Freundschaften. In: Hölderlin Handbuch. Leben-Werk-Wirkung. Hrsg.: Johann Kreuzer. Stuttgart, Weimar 2011, S.40. [3] Vgl. Hölderlin-Pfad Stadt Frankfurt am Main (Hrsg.): In „naher Ferne“. Der Hölderlinpfad von Frankfurt am Main nach Bad Homburg. Frankfurt am Main, 2008.
Die Broschüre der Stadt Frankfurt am Main zum Hölderlin-Pfad kann unter folgendem heruntergeladen werden (Stand: 18.05.2020):
https://frankfurt.de/service-und-rathaus/verwaltung/publikationen/umweltamt/hoelderlinpfad---in-naher-ferne-von-frankfurt-am-main-nach-bad-homburg
[4] Vgl. Valérie Lawitschka: Freundschaften. In: Hölderlin Handbuch. Leben-Werk-Wirkung. Hrsg.: Johann Kreuzer. Stuttgart, Weimar 2011, S.32-36.
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