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AutorenbildNina Kotschner

Dem Sonnengott oder: Wo bist du?

Aktualisiert: 27. Mai 2020


Wo bist du? Du befindest dich hier auf dem Poesie-Blog zu Friedrich Hölderlin. Genau hier hast du die Möglichkeit, dich über den Schwäbischen Dichter zu informieren, sein Leben und seine Umwelt auf eine mediale und interaktive Weise zu entdecken. Hier kannst du Hölderlins Lyrik genießen. Zu jedem Monat des Jahres gibt es einen Poesie-Beitrag, der das ausgewählte Gedicht und eine mediale Aufbereitung beinhaltet. So kannst du jeden Monat aufs Neue in Hölderlins Welt eintauchen und mehr über ihn erfahren.


Wir starten mit einem Beitrag zu "Dem Sonnengott":



Das Gedicht „DEM SONNENGOTT“, beschreibt das Gefühl von Sehnsucht und Vermissen und Vorfreude. Wer kennt es nicht, das Gefühl, den Liebsten nach einer Zeit der Trennung endlich wieder zu sehen? Das lyrische Ich durchlebt in Hölderlins Gedicht genau diese Vorfreude.


In der ersten Strophe fragt sich das lyrische Ich, wo der Geliebte denn bleibt und erinnert sich an ihn. Dabei spricht das lyrische Ich von einem Götterjüngling und von Wonne, die er mit dem Geliebten verbindet. Die Vergöttlichung eines Menschen, ist in Hölderlins Gedichten nichts Ungewöhnliches. In diesem Falle ist es der Geliebte, der in göttliche Sphären gehoben wird. Für Menschen ist es auch nichts Ungewöhnliches, einen geliebten Menschen positiver zu betrachten, als er eigentlich ist. Noch besser gelingt das, wenn die geliebte Person nicht anwesend ist und nur in einer Erinnerung geschwelgt wird. Dabei wird der Geliebte idealisiert und an die eigene Vorstellung eines Perfekten angeglichen, indem vermehrt die positiven Attribute wahrgenommen werden. Das lyrische Ich folgt diesem Schema, da es den Geliebten als entzückenden Götterjüngling voller Wonne wahrnimmt.


Auch in der zweiten Strophe nimmt diese Verherrlichung nicht ab. „Die jungen Locken badet‘ im Goldgewölk“, können als lockige Haarpracht, die sich unter einem Heiligenschein, dem Goldgewölk, befinden, gelesen werden. Auch im weiteren Verlauf spielen Hinweise auf göttliche Attribute eine tragende Rolle. So reist der Geliebte nicht zu einem beliebigen Ziel, sondern in die Ferne zu „frommen Völkern / Die ihn noch ehren“.


In der dritten Strophe kommt der Naturbezug hinzu: „Dich lieb ich, Erde! Trauerst du doch mit mir!“. Es ist für Hölderlins Gedichte typisch, dass das lyrische Ich mit seiner Traurigkeit und seiner Sehnsucht nach dem Geliebten Zuflucht in der Natur sucht. Da Hölderlin sehr naturverbunden war und sich in der Natur wohl und geschützt gefühlt hat, ist es nicht verwunderlich, dass das lyrische Ich sich mit seinen Gefühlen an die Erde wendet und nicht nach Aufmunterung und Ablenkung durch andere Menschen sucht. Schließlich mündet diese Variante, mit der Sehnsucht umzugehen, für das lyrische Ich in Erfolg:

„Und unsre Trauer wandelt, wie Kinderschmerz, / In Schlummer sich“.

Nachdem das lyrische Ich die Trauer nicht mehr selbst trägt und an die Natur und den Schlaf abgegeben hat, blickt es dem Wiedersehen mit dem Geliebten freudig entgegen. Es beschreibt die Zeit des Wartens auf den Geliebten, wie einen in Nebel gehüllten Traum. Eine Phase, die das lyrische Ich nahezu verschläft oder gar verdrängt. Auch das ist für den Menschen kein untypisches Verhalten. Erfahrungen und Gefühle, die nicht gefallen und nicht guttun, werden verdrängt, um den Schmerz so gering wie möglich zu halten. Einzig und allein der Geliebte, der in der vierten Strophe als Meister beschrieben wird, besitzt die Macht, das lyrische Ich aus diesem Zustand zu befreien:

„Bis ihm des Meisters Finger den schönen Ton

Entlockt, so spielen Nebel und Träum um uns“.

So begibt sich der Liebende in eine starke Abhängigkeit. Er wird erst durch die Ankunft des Geliebten wieder lebensfähig:

„Bis der Geliebte wiederkömmt und Leben und Geist uns entzündet“.

Es ist nicht undenkbar, dass hier neben einer temporären Trennung, auch eine dauerhafte Trennung, beziehungsweise das Wissen der Unmöglichkeit einer Liebe zweier Personen beschrieben wird. Ich denke hierbei an Hölderlins Liebe zu Susette Gontard, die keine Zukunft hatte, und doch haben die beiden sich jeden Monat getroffen, und Hölderlin nahm jeden Monat den Weg von Homburg nach Frankfurt zu Fuß auf sich, nur um seine Geliebte Susette kurz sehen zu können. Dabei ist es nicht verwunderlich, dass einerseits eine Imagination der geliebten Person im Sinne der Vergöttlichung entsteht und sich andererseits ein Gefühl der Sehnsucht ausbreitet, welches nur schwer zu ertragen ist und schließlich in Verdrängung mündet.

Nina Kotschner


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